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Die wilden Schwäne
nach Hans Christian Andersen

Weit von hier wohnte ein König. Der hatte elf Söhne und eine Tochter Elisa. Die Kinder hatten es sehr gut, bis sie eine böse Stiefmutter bekamen. Elisa musste aufs Land zu Bauern und zu den Prinzen sagte sie: "Fliegt hinaus in die Welt und ernährt euch selbst!" Da wurden sie Schwäne und flogen mit lautem Schrei davon. Elisa kam als wunderschöne Jungfrau wieder nach Hause; da war ihr die Königin Gram und suchte sie zu verderben. Mit einer hässlichen Salbe bestrich sie ihr das Gesicht und verwirrte ihr Haar, so dass der König sie nicht mehr erkannte. 

Traurig verbarg sie sich im Wald. Wie erschrak sie, als sie im Bach ihr Spiegelbild erblickte! Doch sie badete in dem klaren Wasser und war wieder schön wie vorher. Immer musste Elisa an ihre Brüder denken.

Da traf sie eine alte Beerensammlerin und fragte sie, ob nicht elf Prinzen durch den Wald geritten wären."Nein, aber elf wilde Schwäne mit goldenen Kronen sind ans Meer geflogen."

Da wanderte Elisa an den Strand. Gegen Abend ließen sich elf Schwäne in ihrer Nähe nieder und als die Sonne untergegangen war, fielen die Schwanengefieder von ihren Schultern und ihre Brüder standen vor ihr. Wie groß war da die Freude. Der älteste Bruder erzählte: "Wenn die Sonne am Himmel steht, müssen wir als Schwäne fliegen; sobald sie untergegangen ist, erhalten wir unserer menschliche Gestalt wieder und müssen sehen, dass wir festen Boden erreichen, sonst stürzen wir in die Tiefe. Und nur einmal im Jahr können wir in unsere Heimat kommen, denn wir brauchen dazu die zwei Längsten Tage des Jahres." Da sie wieder fortfliegen mussten, flochten sie aus Weiden ein Netz und nahmen Elise mit übers Meer.Da konnte sie die herrlichen Schlösser und Kirchen bestaunen, die die Fee Fata Morgana in die Lüfte zauberte. 

In einer grünen Felsenhöhle hatte Elisa ihr neues Heim. Im Traum erschien ihr eine gute Fee. Die sprach: "Mit Mut und Ausdauer kannst du deine Brüder erlösen. Pflücke Nesseln, die am Kirchhof wachsen und knüpfe daraus elf Panzerhemden. Sprich aber kein Wort, bis das Werk getan ist."

Elisa begann mit der Arbeit. Die Nesseln brannten ihr große Blasen an Händen und Füßen, aber sie wollte es für ihre Brüder gerne leiden. Die waren sehr erschrocken, sie so stumm zu finden, doch dann begriffen sie, was sie ihrethalben tue. 

Eines Tages ertönte ein Jagdhorn und der König des Landes kam zur Höhle. Elisa gefiel ihm so gut, dass er sie mitnahm und trotz der Warnung des Bischofs, der das wunderschöne Mädchen für eine Hexe hielt, zur Königin machte. Elisa war stumm und traurig und wurde erst wieder froh, als man ihr das fertige Panzerhemd und die Nesselbündel in ihre Schlafkammer brachte. Nun war sie Nacht für Nacht an der Arbeit. Als sie das siebente Hemd begann, hatte sie keine Nesseln mehr und ging Nachts auf den Kirchhof.

Der Bischof, der ihr gefolgt war, erzählte es dem König und als dieser selbst das seltsame Treiben Elisas gesehen hatte, lies er sie in den Kerker werfen und das Volk verurteilte sie, den Feuertod zu erleiden. Die fertigen Hemden und die Nesselbündel sollten ihr Lager sein; nichts Lieberes hätte man ihr geben können. Nun flocht sie emsig weiter; die kleinen Mäuse schleppten die Nesseln herbei und ein Vogel sang, damit sie den Mut nicht verliere im Dunkel.

Alles Volk strömte aus der Stadt, um die Hexe brennen zu sehen. Elisa saß auf dem Karren, ihr zu Füßen lagen die zehn Panzerhemden und am Elften knüpfte sie weiter. Die bösen Menschen drangen auf sie ein und wollten ihr Werk zerstören. Da kamen elf Schwäne geflogen. Sie warf ihnen hastig die Panzerhemden über und sogleich standen Elisas elf Brüder da. Nur der Jüngste hatte einen Schwanenflügel statt des Armes. Denn es fehlte nich ein Ärmel an seinem Hemd. 

Und das Volk, welches sah, was geschehen war, neigte sich vor Elisa, wie vor einer Heiligen. Aus dem Scheiterhaufen erblühte ein Rosenstrauch. Alle Glocken läuteten von selbst und glücklich zog der König mit Elisa ins Schloss.

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